Nachhaltiger Ernährung: 4 Mythen im Check
„Eine nachhaltige Ernährung ist doch einfach nur teuer! Und Veganer:in möchte ich auch nicht werden!“ – was meinst Du? Stimmen diese Aussagen? Ist eine nachhaltige Ernährung wirklich so viel teurer? Und ist nur eine vegane Ernährung nachhaltig? Ich habe 4 Mythen rund um das Thema nachhaltige Ernährung für Dich genauer unter die Lupe genommen. Außerdem gebe ich Dir viele Tipps für einen nachhaltigeren Einkauf an die Hand.
Mythos 1: Eine nachhaltige Ernährung ist teuer
Ist eine nachhaltige Ernährung tatsächlich ein Luxus, den sich viele nicht leisten können? Zum Teil, würde ich sagen. Natürlich gibt es hierzulande Menschen, die am Existenzminimum leben und sehr darauf achten müssen, welche Lebensmittel sie kaufen. Das gilt besonders jetzt, wo Coronakrise und der Krieg in der Ukraine die Preise für Lebensmittel in die Höhe schnellen lassen. Genauso viele Menschen gibt es aber, die die finanzielle Freiheit haben, sehr wohl bewusste Entscheidungen bei der Lebensmittelauswahl treffen zu können. Daher bin ich auch der Meinung, dass eine nachhaltigere Ernährung (bis auf wenige Ausnahmen) weniger eine Frage des Portemonnaies ist, sondern viel mehr der eigenen Denkweise und wie wir unsere Prioritäten setzen.
Schluss mit Schwarz-weiß-Denken
Ich habe oft das Gefühl, dass viele denken, sie müssten alle bisherigen Ernährungsgewohnheiten über Bord werfen, um sich nachhaltiger zu ernähren. Also zum Beispiel nur noch Bio-Lebensmittel kaufen, ganz nach dem Motto: Ganz oder gar nicht! Ich finde, das ist aber ein ganz falscher Ansatz. Jede Veränderung hin zu einer nachhaltigeren Ernährung ist wertvoll. Wir können zum Beispiel darauf achten, tierische Lebensmittel konsequent in Bio-Qualität und aus regionaler Herkunft zu kaufen. Diese Lebensmittel kosten zwar mehr, doch wenn wir gleichzeitig den Konsum etwas reduzieren, dann gleicht sich das ganz gut wieder im Portemonnaie aus. Wusstest Du, dass die Deutsche Gesellschaft empfiehlt, pro Woche 300 bis 600 g Fleisch zu essen? Tatsächlich isst jedoch jeder von uns im Durchschnitt pro Jahr etwa ein Kilogramm Fleisch pro Woche (55 Kilogramm pro Jahr).
Regional und saisonal = günstiger
Ein wichtiger Grundsatz der nachhaltigen Ernährung ist, möglichst viel Obst und Gemüse aus regionalem, saisonalem Anbau zu essen. Wusstest Du, dass diese Lebensmittel oft sogar günstiger sind als importiertes Obst und Gemüse? Beispielsweise kosten Tomaten aus Spanien im Winter um ein Vielfaches mehr als jene, die im Sommer in Deutschland im Freiland geerntet werden. Wer sich möglichst reich an regionalem und saisonalem Obst und Gemüse ernährt, kann also durchaus Geld sparen. Doch damit einhergeht die Bereitschaft, sich bewusst damit auseinanderzusetzen, was zu welcher Jahreszeit hierzulande eigentlich so alles auf den Feldern und Äckern wächst – und sich damit auch zufriedenzugeben. Besonders im Winter bedeutet das primär: Kohl und Wurzelgemüse! Beim Obst können wir auf Äpfel und Birnen aus Lagerware zurückgreifen. Es geht aber auch gar nicht darum, sich NUR von Lebensmitteln aus der Region zu ernähren, sondern sie so oft es geht in den Speiseplan einzubauen. Du siehst: Auch bei diesem Thema ist es wieder mehr eine Frage, wie wir unsere Prioritäten setzen, und nicht des Portemonnaies.
Zauberwort: BIO-Angebote
Wie konventionelle Lebensmittel, sind auch Bio-Lebensmittel regelmäßig im Angebot. Wer bewusst danach Ausschau hält, kann bares Geld sparen. Zudem lohnt es sich, mit offenen Augen durch den Supermarkt oder Bio-Markt zu laufen. Besonders auf leicht verderblichen Lebensmitteln wie Milchprodukte finden sich hin und wieder Sticker mit Rabatten von bis zu 50 Prozent, wenn diese kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums sind. Wenn Du die Produkte eh zeitnah verzehrst, kannst Du dort getrost zugreifen.
True Costs: die wahren Kosten von Lebensmitteln
Hast Du im Zusammenhang mit Lebensmitteln schon einmal etwas von True Costs gehört? Wenn wir einkaufen gehen, dann zahlen wir einen bestimmten Preis im Laden. Das ist aber nicht der wahre Preis der Lebensmittel. Denn dieser enthält nicht die sogenannten „versteckten Kosten“. Dabei handelt es sich beispielsweise um Gesundheitskosten durch Treibhausgase, die bei der Lebensmittelproduktion entstehen. Oder auch Kosten, die durch Umweltschäden entstehen, etwa Bodenerosionen und Überdüngung. Indirekt tragen wir, die Gesamtgesellschaft, die Kosten. Etwa durch unsere Krankenkassenbeiträge oder Wasserrechnungen, um mit Düngemittel belastetes Trinkwasser aufzubereiten.
An der Universität Augsburg ist man der Frage nachgegangen, wie viel unsere Lebensmittel eigentlich kosten müssten. In die Berechnungen sind nicht nur die direkten Produktionskosten eingeflossen, sondern auch dessen Auswirkungen auf ökologische und soziale Systeme in Form von Geldeinheiten.
Konventionell erzeugtes Fleisch müsste dreimal so teuer sein
Die Wissenschaftler haben berechnet, dass die externen Folgekosten am höchsten bei konventionell erzeugten tierischen Produkten sind. Fleisch und Wurst müsste dreimal (173 Prozent) so teuer sein, wie jetzt. Der Aufschlag auf Milch und Milchprodukte müsste 122 Prozent betragen (Hinweis: Stand 2018). Auch Bio-Lebensmittel sind laut der Berechnungen zu günstig. Der benötigte Preisaufschlag fällt jedoch durchweg niedriger aus als bei konventionell produzierten Lebensmitteln.
Mythos 2: Nur Vegan ist nachhaltig
Ist eine vegane Ernährung wirklich die nachhaltigste Ernährungsform? Ich sage: Nein! Sie kann nachhaltig sein, muss es aber nicht. Um das besser nachvollziehen zu können, ist es wichtig zu wissen, was hinter dem Begriff „nachhaltige Ernährung“ überhaupt steckt. Viele denken dabei an eine klimafreundliche Ernährung. Das ist auch nicht ganz falsch. Doch Umwelt bzw. Klima ist nur eine von vier Dimensionen einer nachhaltigen Ernährung. Die anderen drei lauten: Gesundheit, Gesellschaft bzw. Soziales und Tierwohl.
Wie gesundheitsförderlich ist meine Ernährung? Unter welchen Bedingungen wurden die Lebensmittel produziert? Wie sind die vorherrschenden Ernährungsbedingungen in den produzierenden Ländern? Und welche Rolle spielt das Tierwohl? Auch das sind zentrale Fragen, die bei einer nachhaltigen Ernährung eine Rolle spielen. Das ist auch der Grund dafür, warum wir nicht pauschal sagen können, dass nur eine vegane Ernährung nachhaltig ist.
Um das noch besser zu verdeutlichen, habe ich mir die vier Dimensionen genauer im Hinblick auf eine vegane Ernährung angeschaut.
Vegan: Tierwohl ja, Klimafreundlich Ja und Nein
Bei einer Dimension hat eine vegane Ernährung ganz klar die Nase vorn: beim Tierwohl. Bei den Themen Umwelt und Klima wird es schon etwas schwieriger, pauschale Aussagen zu treffen. Denn die Themen sind super vielschichtig. Ganz stark vereinfacht können wir in der Tat sagen, dass eine vegane Ernährung insgesamt klimafreundlicher ist als eine Ernährung, bei der viele tierische Produkte auf dem Teller landen. Doch auch bei der Wahl pflanzlicher Lebensmittel können wir Entscheidungen treffen, die eine vegane Ernährung klimafreundlicher und weniger klimafreundlicher machen. Was es damit genau auf sich hat, habe ich bereits in einem Artikel näher beleuchtet – inklusive Tipps für den Einkauf.
Vegan ist nicht pauschal gesünder
Eine vegane Ernährung per se als gesünder zu bezeichnen, ist schlichtweg falsch. Durch den Verzicht auf ganze Lebensmittelgruppen beispielsweise steigt das potenzielle Risiko für eine Mangelversorgung mit bestimmten Nährstoffen. Durch eine geschickte Auswahl und Kombination an pflanzlichen Lebensmitteln ist es zwar grundsätzlich möglich, auch als Veganer den Bedarf an allen essenziellen Nährstoffen zu decken (mit Ausnahme von Vitamin B12, das in ausreichenden Mengen nur in tierischen Lebensmitteln enthalten ist). Doch das setzt voraus, dass man sich intensiv mit der eigenen Ernährung auseinandersetzt.
Es gibt zudem Lebensphasen und Personengruppen mit besonderem bzw. verändertem Nährstoffbedarf. Dazu zählen beispielsweise Schwangere, Ältere und Kinder. Aber auch Erkrankungen können den Nährstoffbedarf verändern. Bei diesen Personengruppen kann sich eine vegane Ernährung negativ auf die Gesundheit auswirken, wenn fundiertes Wissen fehlt. Darüber hinaus spielt zudem natürlich auch die Lebensmittelauswahl eine Rolle, wie gesund oder ungesund eine vegane Ernährung ist. Auch eine vegane Ernährung kann aus vielen fettreichen und zuckerreichen Fertigprodukten und wenig pflanzlichen Lebensmitteln, insbesondere Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten bestehen.
Sozialverträglich: Kann, muss aber nicht
Und wie sieht es mit der Sozialverträglichkeit aus? Eine vegane Ernährung ist nicht automatisch sozialverträglicher als eine Ernährung mit tierischen Lebensmitteln. Denn bei diesem Punkt ist nicht entscheidend, ob ein Lebensmittel tierischen oder pflanzlichen Ursprungs ist, sondern auch, …
- unter welchen Arbeitsbedingungen das Lebensmittel produziert wurde
- und wie sich der Anbau auf die Ernährungsgrundlage vor Ort auswirkt. Zum Teil werden wertvolle Lebensräume zerstört, um Lebensmittel für den Import anzubauen.
Importierte Lebensmittel aus fernen Ländern
Wie sozialverträglich eine vegane Ernährung ist, hängt maßgeblich von der Lebensmittelauswahl ab. Nüsse, Samen, exotische Früchte, Quinoa – all das sind Lebensmitteln, die hierzulande nicht bzw. kaum wachsen und gedeihen, aber oft auf dem Speiseplan von Veganern stehen. Die Lebensmittel müssen also importiert werden, oft aus Asien, Afrika und Amerika. Siegel für fairen Handel, beispielsweise das Fairtrade-Siegel, können zwar eine gute Orientierung bieten. Doch diese sind längst nicht auf allen Lebensmitteln zu finden. Oft wissen wir schlichtweg daher einfach nicht, unter welchen Bedingungen insbesondere importierte Lebensmittel produziert wurden.
Etwas anders sieht es aus, wenn eine vegane Ernährung aus vielen regionalen Lebensmitteln besteht. Zwar gibt es auch hier schwarze Schafe (Stichwort: Leiharbeiter und Saisonkräfte), doch insgesamt herrschen in Deutschland hohe Arbeits- und Sozialstandards. Und: Wer regional einkauft, kann das oft direkt beim Landwirt vor Ort. Mehr Transparenz geht nicht.
Mythos 3: Nachhaltig Essen ist kompliziert
Gewohnheiten sind etwas sehr Mächtiges. Einmal angewöhnt, fällt es uns in der Regel sehr schwer, sie uns auch wieder abzugewöhnen. Das ist in allen Bereichen des Lebens so, auch bei der Ernährung. Wer sie umstellen möchte, der muss gewisse Gewohnheiten ändern. Das ist besonders zu Beginn mit einem gewissen Aufwand verbunden, keine Frage. Das beginnt schon damit, sich erst einmal in der Theorie damit auseinanderzusetzen, wie sich die Ernährung überhaupt nachhaltiger gestalten lässt. Wirf dafür gerne mal einen Blick in diesen Artikel!
Wem der Wille für solche Veränderungen fehlt, empfindet die Umstellung schnell als sehr anstrengend. Eine nachhaltige Ernährung wird dann oft als kompliziert abgetan. Wer hingegen den Fokus auf die positiven Dinge legt, die mit einer Ernährungsumstellung verbunden sind, der sieht in Veränderungen mehr Chancen als Last und Anstrengung.
Schritt für Schritt
Unnötig kompliziert wird eine nachhaltige Ernährung auch dann, wenn wir auf allen Partys gleichzeitig tanzen wollen. Wer alle Gewohnheiten von jetzt auf gleich über Bord wirft, verliert schnell die Lust. Denn dann prasseln einfach zu viele Veränderungen auf einmal auf Dich ein. Gehe das Thema daher entspannt an und setze Dir kleine Ziele. Konzentriere Dich zudem besonders am Anfang auf die Dinge, die Dir besonders leicht fallen. Du kannst zum Beispiel damit beginnen, darauf zu achten, mehr saisonales Obst und Gemüse aus der Region zu kaufen. Schaue, welches Gemüse und Obst gerade Saison hat und wage Dich ruhig auch mal an unbekannte Sorten.
Tipp: Auf meinem Blog findest Du viele Ideen, Anregungen und Rezepte rund um das Thema nachhaltige Ernährung. Stöbere einfach mal ein bisschen herum und schreibe mir auch gerne, wenn Du Fragen hast!
Mythos 4: Eine nachhaltige Ernährung schmeckt nicht
Wie wir unsere nachhaltige Ernährung gestalten, liegt ganz alleine an uns. Damit haben wir auch in der Hand, wie lecker sie ist – oder eben nicht. Per se müssen wir bei einer nachhaltigen Ernährung auf nichts verzichten, auch nicht auf tierische Produkte. Wenn wir diese gelegentlich essen und auf regionale Bio-Qualität setzen, dann ist das durchaus mit einer nachhaltigen Ernährung vereinbar. Und wenn Du absolut gar kein Fan von Tofu bist, dann iss ihn einfach nicht. Oder probiere mal eine andere Zubereitungsmethode aus.
Offenheit wird mit Genuss belohnt
Wenn wir zudem von Anfang an der festen Überzeugung sind, dass eine nachhaltige Ernährung nicht schmeckt, dann wird das vermutlich auch eintreffen. Ganz anders verhält es sich, wenn wir offen an das Thema herangehen. Dann kann eine nachhaltige Ernährung sogar einen großen Mehrwert an Genuss und guten Geschmack darstellen. Besonders, wer sich nach den Jahreszeiten ernährt, lernt ganz neue saisonale, regionale Leckereien kennen. Auch Hülsenfrüchte haben großes Potenzial, wenn sie richtig zubereitet sind. Eine fade Linsensuppe mag vermutlich niemand gerne. Ein orientalischer Linsen-Aufstrich mit Möhre und Tahin klingt da doch schon ganz anders, oder? Der Mut, Neues auszuprobieren, wird oft mit maximalem Genuss belohnt. Und wenn es mal nicht schmeckt? Dann hast Du es wenigstens ausprobiert!
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