Wer sich heute möglichst nachhaltig ernähren möchten, der braucht vor allen Dingen eines: Ein gewisses Hintergrundwissen, was eine nachhaltigere Ernährung überhaupt ausmacht. Welche Produkte besonders nachhaltig sind, ist auf den ersten Blick oft schlichtweg nicht ersichtlich. Erschwerend kommt beispielsweise hinzu, dass das Angebot in Supermärkten (unbewusst) unsere Kaufentscheidungen beeinflusst – und zwar aktuell nicht zugunsten einer nachhaltigeren Ernährung. Und fehlt es schlichtweg an optimalen Bedingungen für eine einfache Umsetzung. Möglichkeiten, das zu ändern, hat die Politik viele. Hier kommen ein paar Beispiele.

Vier Dimensionen einer nachhaltigeren Ernährung

Gesundheit, Soziales, Umwelt und Tierwohl – das sind die vier zentralen Dimensionen einer nachhaltigeren Ernährung. Man nennt sie auch Big Four. In einem Gutachten untersuchten Wissenschaftler anhand dieser vier Dimensionen, wie die Politik uns dabei unterstützen kann (und sollte), uns nachhaltiger zu ernähren [1]. Mehr dazu weiter unten.

Du möchtest mehr über die vier Dimensionen erfahren? Hier erkläre ich dir, was dahinter steckt.

 

Der Staat wälzt Verantwortung auf uns ab

Gesund soll die Ernährung sein und die Lebensmittel am besten unter sozialverträglichen Bedingungen produziert. Ebenso soll unser Essen die Umwelt nicht im Übermaß belasten und das Tierwohl steht bei Fleisch und Co. an erster Stelle. Das alles sollen wir bei unseren Kaufentscheidungen berücksichtigen?

Idealerweise ja, aber in der Praxis ist das gar nicht möglich.

  • Punkt 1: Wir können schlichtweg nicht alle Aspekte beim Einkauf oder beim Essen gehen berücksichtigen. Nehmen wir das Beispiel sozialverträglich. Trägt ein Produkt nicht das Fairtrade-Siegel, wissen wir in der Regel nicht, unter welchen Arbeitsbedingungen es angebaut und/oder produziert wurde. Das gilt vor allen Dingen für importierte Lebensmittel.

  • Punkt 2: Die Ernährungsumgebung macht es uns aktuell super schwer, uns ganzheitlich nachhaltiger zu ernähren. Erstens fehlt es oft an Transparenz. Weißt du, was du für Lebensmittel im Restaurant vorgesetzt bekommst? Hinzu kommt der Punkt, dass wir viele Entscheidungen ganz unbewusst treffen. Das Angebot im Supermarkt, in Restaurants, Werbung, Angebote – das alles prägt unser Einkaufsverhalten. Das aktuelle Problem dabei: Wir werden schlichtweg nicht ausreichend dazu animiert, unsere Ernährungsgewohnheiten zu ändern.

Der Staat muss es uns so einfach wie möglich machen, uns nachhaltiger zu ernähren. Und nicht, wie aktuell, die ganze Verantwortung pauschal auf uns Verbraucher abwälzen.

Aber: Auch wir sind in der Pflicht

Bedeutet das, dass wir mit nachhaltigeren Kaufentscheidungen eh nichts bewegen können? NEIN! Mit dem, was du kaufst, setzt du wichtige Signale. Die Nachfrage reguliert das Angebot. Den größten Handlungsspielraum haben wir Verbraucher beim Punkt klimafreundliche bzw. umweltfreundliche Ernährung.

Wir können schon jetzt darauf achten, möglichst viele Produkte in Bio-Qualität zu kaufen. Zudem können wir den Fleischkonsum reduzieren.  Ein weiterer Punkt ist, Obst und Gemüse möglichst saisonal und aus der Region zu kaufen. Weitere Tipps für eine nachhaltigere Ernährung findest du hier.

Was kann bzw. muss der Staat machen?

Wie aber kann die Politik eine nachhaltige Ernährung fördern? Auch das zeigt das oben erwähnte Gutachten auf. Als ich das Gutachten gelesen habe, war ich überrascht, wie viele verschiedene Maßnahmen es gibt. Ich möchte dir drei ganz unterschiedliche vorstellen. Diese zeigen ganz gut, wie vielschichtig das Thema ist.

1. Preisanreize schaffen

Die Politik könnte die Mehrwertsteuer auf gesundheitsförderlichen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse senken (oder sie sogar ganz davon befreien). Das kurbelt den Kauf dieser Lebensmittel an. Noch stärker wäre der Effekt, wenn gleichzeitig der Mehrwertsteuersatz für „ungesunde“ Lebensmittel erhöht wird. Etwa auf stark verarbeitete Fertigprodukte, Softdrinks, Süßigkeiten, u.s.w. Der Preis könnte sich auch auf das Tierwohl auswirken. Aktuell sind Fleisch, Milch und Eier mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent besteuert. Würde sich dieser erhöhen oder würde die Politik eine Nachhaltigkeitssteuer einführen, wären tierische Produkte nicht mehr so günstig wie jetzt. Einige greifen dann sicher seltener zu tierischen Produkten – ganz nach dem Motto „weniger, dafür aber qualitativ hochwertiger“.

2. Für verlässliche Informationen sorgen

Dazu gehören u. a. Label, aber auch das Thema Werbung. Weißt du bei allen Produkten, wie nachhaltig sie sind? Sicher nicht. Ich auch nicht. Denn es fehlen schlichtweg verlässliche Informationen. Hier können unterschiedliche Label helfen. Etwa ein verpflichtendes Tierschutzlabel (Dimension Tierschutz), ein Klimalabel (Dimension Umwelt) und ein weiterentwickelter Nutri-Score (Dimension Gesundheit). Wichtig ist, dass es nur wenige, dafür aber eindeutige Label gibt. Auch die Werbung kann ein Hebel sein. Und zwar, indem bewusst nachhaltigere, gesündere Lebensmittel beworben werden, anstelle von Softdrinks, Fertigprodukten und Co. Kinderlebensmittel sollten laut der Autoren des Gutachtens in Schulen und Kitas gar nicht mehr beworben werden dürfen, sonst nur noch eingeschränkt.+

Studie: Klimalabel reduziert den CO2-Fußabdruck

Ein „CO2-Label“ kann dazu beitragen, dass Verbraucher im Supermarkt seltener zu Fleischprodukten greifen. Das hat eine Studie der Uni Kopenhagen und der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften ergeben [2].

In dem Experiment wurden 803 Teilnehmer gebeten, zwischen sechs Alternativen, bestehend aus Variationen von Hackfleisch und einer pflanzlichen Mischung zu wählen. Die Produkte trugen kein Klimalabel. Anschließend wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie die CO2-Informationen der Produkte wissen wollten oder nicht. 33 Prozent der Teilnehmer sagten nein. Unabhängig von dieser Entscheidung erhielten alle Teilnehmer dann Produkte, die ein Etikett mit CO2-Informationen erhielten. Sie mussten erneut Entscheidungen treffen. 

Das Ergebnis:

  • Die Teilnehmer, die sich für entsprechende CO2-Informationen entschieden haben, reduzierten den Klimafußabdruck durch die neue Produktauswahl um 32 Prozent.
  • Die „Informationsvermeider“ reduzierten insgesamt den Klimafußabdruck um zwölf Prozent.

3. Qualitätsstandard in Öffentlichen Einrichtungen

Kinder sollten schon in der Kita und Schule ein beitragsfreies, gesundes Essen zur Verfügung gestellt bekommen. Das Essen entspricht idealerweise den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Neben Gesundheit spielt auch der Aspekt Nachhaltigkeit eine Rolle in den Standards. Aber nicht nur in Kitas und Schulen sollte gesundes, nachhaltigeres Essen Standard sein, sondern beispielsweise auch in Krankenhaus- oder Behördenkantinen und Mensen. Finanziert werden könnte das beispielsweise durch Steuergelder.

Alle Maßnahmen findest du in diesem Dokument: Politik für eine nachhaltigere Ernährung

Andere Länder zeigen, wie es gehen kann

Vielleicht fragst du dich jetzt: Ja, aber vielleicht hat sich in den letzten Jahren ja auch schon super viel verändert in Deutschland? Eindeutig: Nein.

In anderen Ländern setzt sich die Politik viel stärker für eine gesündere und nachhaltigere Ernährung ein. Maßnahmen, die woanders längst umgesetzt wurden, werden hier immer noch diskutiert.

Etwa die Zuckersteuer. Länder wie Großbritannien, Finnland, Estland und Portugal haben bereits Süßgetränkesteuern eingeführt. Auch eine verpflichtende Lebensmittel-Ampel, der die Nährwerte bewertet, stand in Deutschland zur Debatte. Was kam? Der freiwillige Nutri-Score! Der bewertet allerdings nur, welche Lebensmittel im Vergleich zu anderen der gleichen Kategorie den günstigeren Nährwert aufweisen. So kann es schon mal sein, dass der Bio-Apfelsaft ein gelbes „C“ bekommt, die Cola light ein grünes „B“.

So kann es nicht weitergehen. Maßnahmen gibt es genug, jetzt muss die Politik endlich handeln!

Bildquelle:

Kea Blum

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